
Was dein Hund wirklich zeigt – und warum „Demut“ oft falsch gedeutet wird
Demutsverhalten – warum frühere Einteilungen heute problematisch sind
Vielleicht hast du schon einmal gehört, dass ein Hund sich „demütig zeigt“: Er duckt sich, schleckt übers Gesicht, wedelt tief, legt sich auf den Rücken. Und dann heißt es oft:
„Er zeigt aktive oder passive Demut – alles gut, er ordnet sich unter.“
Aber Moment mal – woher kommt dieser Begriff eigentlich?“
„Demut“ klingt erstmal nach Anstand und Haltung. Aber im Zusammenhang mit Hunden führt er auf die völlig falsche Spur. Denn dieser Begriff stammt nicht aus der Verhaltensbiologie – sondern aus der menschlichen Sprache. Aus Religion, Moral und Hierarchie. Und genau da beginnt das Missverständnis. Die Begriffe „aktive Demut“ und „passive Demut“ versuchen, komplexes Hundeverhalten in einfache Schubladen zu stecken.
Begriff | Verhalten (vereinfacht) | Interpretation früher |
---|---|---|
Aktive Demut | Körper niedrig, wedelnd, Lefzenlecken, Annähern | „Der Hund will sich unterordnen“ |
Passive Demut | Auf den Rücken legen, einfrieren, keine Bewegung | „Der Hund ergibt sich völlig“ |
Heute wissen wir: Diese Interpretation ist zu einfach. Und gefährlich, wenn sie als Trainingsgrundlage dient.
Was wirklich dahintersteckt: Kommunikation, kein Unterwerfungsritual
Ein Hund, der sich klein macht oder „demütig“ wirkt, versucht nicht, dir die Führung zu überlassen – sondern kommuniziert etwas ganz anderes:
- „Ich bin überfordert.“
- „Ich will Frieden.“
- „Ich bin unsicher, bitte nähere dich langsam.“
Diese Signale sind hochsoziale Strategien, die vor allem eines zeigen: Hunde sind Meister der Deeskalation.

Was sagt die moderne Verhaltensbiologie dazu?
Ergebnisse aus der Forschung haben längst gezeigt:
Hunde handeln nicht nach einem starren Dominanzprinzip – sie regulieren Beziehungen situativ, emotional und sozial intelligent.
Statt von „Demut“ sprechen Fachleute heute von:
Neuer Begriff | Bedeutung |
---|---|
Beschwichtigungssignal | Verhalten zur Stressreduktion und Konfliktvermeidung (z. B. Gähnen, Blick abwenden, sich klein machen) |
Deeskalationsverhalten | Aktive Strategie zur Friedenssicherung, z. B. sich auf den Rücken legen, langsam bewegen |
Sozialhemmung | Verhalten, das Spannung abbauen und Nähe regulieren soll (z. B. ruhiges Sitzenbleiben) |
Stress- oder Konfliktverhalten | Unsicherheiten im sozialen Kontext sichtbar machen – nicht „Unterwerfung“, sondern Regulation |
Das ist nicht nur ein sprachlicher Wechsel – sondern ein komplettes Umdenken im Hundetraining.
Warum diese Begriffe wichtig sind – auch für deinen Alltag
Der Begriff „Demut“ verleitet viele Menschen dazu, Hundeverhalten falsch zu deuten – oder sogar respektlos zu behandeln:
„Er legt sich auf den Rücken – also kann ich mich drüber beugen.“
„Sie kommt geduckt – also ist sie unterwürfig und es ist alles okay.“
Fakt ist:
Ein Hund, der sich „klein macht“, zeigt keine Schwäche, sondern spricht eine klare Sprache.
Er will oft Distanz aufbauen, Spannung lösen oder sich emotional regulieren.
3 typische Missverständnisse – und was du stattdessen tun solltest
Situation | Falsche Deutung („Demut“) | Was wirklich dahintersteckt | Dein hilfreiches Verhalten |
---|---|---|---|
Hund legt sich auf den Rücken | „Er ergibt sich mir.“ | Stress, Unsicherheit, Überforderung | Abstand halten, Blick abwenden, ruhig sprechen |
Hund schleckt deine Hand oder dein Gesicht | „Er zeigt mir Respekt.“ | Beschwichtigung, soziale Bindung | Nicht kommentieren, freundlich bleiben |
Hund geht geduckt auf dich zu | „Er ordnet sich unter.“ | Unsicherheit, Nähe suchen, Anspannung | Seitlich stehen bleiben, nicht frontal nähern |
Weg mit der „Demut“ – her mit echtem Verständnis
Je mehr du dich davon verabschiedest, dass dein Hund dir „seinen Respekt beweisen“ oder sich „unterordnen“ soll, desto leichter wird euer Miteinander.
Denn Hunde sind nicht hierarchisch motiviert – sondern beziehungsorientiert.
Der Hund braucht nicht „eine starke Hand“, sondern dein feines Gespür.
Kurz zusammengefasst – was du dir merken solltest
🐾 „Demutsverhalten“ ist ein veralteter Begriff aus der Dominanztheorie
🐾 Moderne Forschung spricht von Beschwichtigung, Deeskalation, sozialer Kommunikation
🐾 Beobachte Verhalten im Kontext, nicht isoliert
🐾 Achte auf Körpersprache – nicht auf menschliche Begriffe
🐾 Kommunikation auf Augenhöhe beginnt mit echtem Verstehen
Fazit: Dein Hund ist nicht demütig – sondern sozial klug
Statt nach Demut zu suchen, lade ich dich ein, auf Beziehung zu schauen. Denn was du vielleicht als Unterordnung deutest, ist oft ein leiser Hilferuf: „Versteh mich bitte – ich zeig dir, wie ich mich fühle.“ Und das ist keine Schwäche. Sondern der Anfang von echter Verbindung.
Ganz wichtig: Demütigen ist nicht dasselbe wie erniedrigen.
Auch wenn das Wort im Deutschen genau diesen Beiklang hat.
Doch dein Hund zeigt kein devotes Unterwerfen sondern Signale, die um Respekt und Orientierung bitten. Er will dich nicht „höher stellen“, sondern Klarheit schaffen. Und Sicherheit. Und Nähe.
Deine Einladung zum Perspektivwechsel
Wenn du ab jetzt Begriffe wie Demut, Unterordnung oder Respekt zeigen hörst – frag dich:
⇒ Was steckt emotional dahinter?
⇒ Was zeigt mir mein Hund wirklich?
⇒ Und was kann ich tun, um ihn nicht zu korrigieren – sondern zu verstehen?
Denn genau da beginnt Bindung: Nicht in der Kontrolle, sondern im Hinsehen und Verstehen.
Übrigens:
Wenn du solche verhaltensbiologischen Hintergründe spannend findest – der nächste Workshop knüpft genau hier an:
Was oft als Demut gedeutet wird, ist in Wahrheit ein stiller Ausdruck von Überforderung, Unsicherheit oder Stress.
Am 15. Juli findet ein ganztägiger Vortrags-Workshop mit Diplom-Psychologe & Kriminologe (M.A.) Dr. Robert Mehl statt.
Thema: Stress, Angst und soziale Vermeidung beim Hund.
🎓 Jetzt anmelden & Platz sichern (nur 25 Plätze verfügbar)
Details & Buchung
Vertiefe jetzt dein Wissen
Freue dich auf viele weitere spannende Einblicke in die Welt des Hundeverhaltens – Dali’s Hundekompass zeigt dir einen Weg.